Hoch – höher – Höxter!
Chorgemeinschaft Braubach 1843/83 auf Fahrt
Hoch waren die Erwartungen der Teilnehmer an die traditionelle Sängerreise. Höher hätten sie in diesem Jahr ruhig sein können, ging es doch diesmal – von Ralf Elenz hervorragend organisiert – in das schöne, geschichtsträchtige Städtchen Höxter im Weserbergland.
Nachdem der Bus sich im Morgengrauen alle Passagiere und das Gepäck inclusive des Koffers eines gewissen Sängers einverleibt hatte, konnte die Reise – diesmal waren auch Damen mit an Bord – frohgelaunt starten. Der dichte Morgennebel kündigte schönes, wenn auch kühles Wetter an, und so war später die traditionelle, deftige Frühstückpause in jeder Hinsicht ein Genuss. Sie wurde wie immer musikalisch gewürzt, nicht zuletzt auch zu Ehren eines mitreisenden Sängers, der just an diesem Tag sein Wiegenfest feierte. Feuchte, wohlschmeckende Köstlichkeiten machten die Runde, bevor die Reise weiterging. Für Heiterkeit sorgte dabei ein Sänger, der plötzlich entdeckte, dass er seine Geldbörse daheim vergessen hatte. Eine spontan gesammelte „symbolische“ Spende der Mitf(ühl)ahrenden „tröstete“ ihn ebenso wie die Tatsache, dass sein Eheweib mit von der Partie war.
Erstes Reiseziel war die bekannte Münchhausen-Stadt Bodenwerder. Nach dem vorbestellten Mittagsmahl in einem gemütlichen Gasthaus stattete man dem Münchhausen-Museum einen Besuch ab. Eine sehr informative Führung und zahlreiche Exponate vermittelten vielfältige Einblicke in Dichtung und Wahrheit bezüglich der Gestalt des berühmten „Lügenbarons“. Dem einen oder anderen machte dabei während des Vortrags die berühmte „Mittagsmüdigkeit“ sichtbar zu schaffen. Am Ende aber verabschiedete sich die Reiseschar mit einem munteren Ständchen.
Dem Probesitzen draußen auf Münchhausens legendärer Kanonenkugel folgte das doch entschieden bequemere Sitzen im Bus, der nun das nächste Ziel ansteuerte,- nämlich das frühere Kloster und heutige Schloss Corvey bei Höxter. Hier stand wiederum eine beeindruckende Führung, diesmal in zwei Gruppen, durch die Räumlichkeiten der großen Anlage auf dem Programm. Corvey, als ehemalige Reichsabtei auf Befehl Ludwigs des Frommen 822 n.Chr. durch Angehörige des westfränkischen Klosters Corbie errichtet, zeigt noch heute in seinen umfänglichen Bauten die Stationen seiner bewegten Geschichte. In der imposanten Abteikirche, dem einzigen heute noch religiös belebten Teil der Anlage, fanden sich die Sänger zu wohlstimmigen Liedvorträgen zusammen. 1803 säkularisiert, ist Corvey bis heute in fürstlichem Besitz. Hier übrigens wirkte auch der Dichter des Deutschlandliedes, August Heinrich von Fallersleben, 14 Jahre lang bis zu seinem Tode als emsiger Bibliothekar der ca. 70.000 Bände umfassenden fürstlichen Bibliothek. Auch an seiner Grabstätte hielt man kurz inne.
Gegen Abend erreichten die Reisenden das Hauptziel Höxter an der Weser und bezogen ihre Zimmer im 4-Sterne-Ringhotel „Niedersachsen“. Mancher nutzte bis zum wohlschmeckenden Abendessen in stilvollem Ambiente die verbleibende Zeit noch zu einem ersten Altstadtbummel. Den Schlummertrunk gönnte man sich in der Hotelbar „Sachsenstube“ oder in einer gastlichen Stätte der abendlichen Innenstadt.
Der nächste Tag vermittelte nach einem selten üppigen Frühstück während einer wiederum zweigruppig verlaufenden Stadtführung eine Menge Wissen über die Kreiststadt Höxter (abgeleitet von „Huxori“, einer karolingischen Siedlung an der Weser), die schon 26 Jahre eher als Braubach die Stadtrechte erwarb. Die wechselvolle Geschichte, beeindruckende Kirchenbauten, wunderschöne Fachwerkhäuser im Stil der Frührenaissance, die zahlreichen, die Stadt durchziehenden Bachläufe,- das ganze Flair dieser schönen Stadt beeindruckte jeden,- umso mehr, als an diesem Samstag quirliges Marktgeschehen seine Anziehungskraft ausübte.
Den Nachmittag füllte ein Abstecher zum nahen Fürstenberg mit seinem Renaissanceschloss, in dessen faszinierenden Räumlichkeiten samt angrenzenden Gebäuden bis heute die weltberühmte „Porzellanmanufaktur Fürstenberg“ ihre Heimat hat. Spannend waren die Einblicke in das praktisch erlebbare künstlerisch-handwerkliche Schaffen.
Der Abend führte,- die einen zu Fuß, die anderen per Bus,- erneut zum Schloss Corvey. Hier wurden die erwartungsfrohen Braubacher von einem Dudelsackpfeifer und einer Magd in historischen Gewändern musikalisch empfangen. Auf die neugierigen Sänger und ihre Damen wartete im großen Gewölbekeller des Schlosses ein veritables Fürstenmahl. Kaminfeuer und schummriges Licht von Kronleuchtern verbreiteten eine ganz eigene Stimmung. Das deftig-fürstliche Mahl wurde eingeleitet und begleitet mit einem tollen, höchst amüsanten Programm, welches der Sackpfeifer und Sänger „Walther von der Kohlenhalde“ abwechslungsreich mit Drehleier, Dudelsack, Laute und Zither gestaltete, und zwar unter häufiger Einbeziehung etlicher Gäste, die dabei in kleinen Sketchen ihre komödiantische Begabung zum Vergnügen aller beweisen konnten. Unterdessen waren drei eifrige Mägde um das leibliche Wohl der mit einem „Schlabberlätzchen“ bewaffneten Gäste besorgt. Kein Wunder, dass alles schließlich in ein paar voluminösen Gesängen der männlichen Kellerbesucher sein Ende fand. Unter Dudelsackklängen und im Fackelschein wurde den frohgelaunten Gästen schließlich bis zur Schlossgrenze „heimgeleuchtet“.
Am Sonntagmorgen startete man zur Heimfahrt, die jedoch noch ein besonderes „Highlight“ enthielt: gegen Mittag nämlich erreichte die Reiseschar das alte Städtchen Braunfels. Das Mittagsmahl in einer gemütlichen historischen Gaststätte war unterhaltsam und reichte von „sehr gut“ bis „Toast verbrannt“. Anschließend vermittelte eine sehr engagierte Stadtführerin, die ihre Begeisterung für ihre Stadt buchstäblich „auf der Zunge“ trug, eine Menge Wissen von Braunfels und seinem Schloss. Das vor der Stadtmauer an der „Hochzeitslinde“ gesungene Volkslied „Am Brunnen vor dem Tore…“, offenbarte zwar einige textliche Schwierigkeiten, brachte aber nichtsdestotrotz viel Vergnügen. Sei’s drum! In der verbleibenden Zeit bis zur Abfahrt gingen die einen auf Entdeckertour, die anderen genossen ein Eis oder ein „kühles Blondes“ in gemütlichem Ambiente.
Störungsfrei erreichte die Gesellschaft am frühen Abend die Heimatstadt Braubach. Eine lehr- und erlebnisreiche, amüsante, erinnernswerte und sehr harmonische Vereinsfahrt hatte ihr Ende gefunden. Eine erkleckliche Zahl der Heimgekommenen ließ bei Speis und Trank im „Rosenacker“ alles Erlebte noch einmal genussvoll Revue passieren.
Gerhard Julius